
Die Leitung dieser Verhandlung wird überhaupt, wie ich glaube, seltenes Kunststück sein, das keinen anderen Zuschauer haben wird, als den, der es aufführt. Ein Eiertanz zwischen allen unsichtbaren Eiern. 1. Ei der N. Fr. Pr., die ich nicht kompromittieren darf, und der ich keinen Anlass geben darf, mich hinauszubugsieren. 2. Ei der Orthodoxen. 3. Ei der Modernen. 4. Ei des österreichischen Patriotismus. 5. Ei der Türkei, des Sultans. 6. Ei der russischen Regierung, gegen die nichts Unliebsames gesagt werden darf, obwohl man die deplorable Lage der russischen Juden doch erwähnen muss. 7. Ei der christlichen Konfessionen wegen der heiligen Stätten. ... Hinzu kommen noch ein paar Tanzeier. Ei Edmund Rothschild. Ei Chovevei Zion in Russland. Ei der Kolonisten, denen man Rothschilds Hilfe nicht verderben darf ... Dann die Eier der persönlichen Differenzen. Ei des Neides, der Eifersucht. Ich muss die Sache unpersönlich machen und kann doch die Zügel nicht aus der Hand lassen. Es ist eine der Arbeiten des Herkules - ohne Überschätzung - denn ich habe ja keine Lust mehr dazu. (Tagebuch, 24. August 1897)
In other ways, too, the direction of these proceedings will, I believe, be a rare feat which will have no other spectator than the one who is performing it. 1. Egg of the N. Fr. Pr., which I must not compromise or furnish a pretext for easing me out. 2. Egg of the Orthodox. 3. Egg of the Modernists. 4. Egg of Austrian patriotism. 5. Egg of Turkey, the sultan. 6. Egg of the Russian government, against which nothing unpleasant may be said, although the deplorable situation of the Russian Jews will have to be mentioned. 7. Egg of the Christian denominations, on account of the Holy Places. ... Added to this are a few other dance-eggs: Egg Edmond Rothschild. Egg Hovevei Zion in Russia. Egg of the colonists, whose help from Rothschild must not be queered ... Then the eggs of personal differences. Egg of eny, egg of jealousy. I must conduct the movement impersonally and yet cannot let the reins out of my hands. It is one of the labors of Hercules - without overestimating it - for I no longer have any zest for it. (Diary, 24 August 1897)
Kongresstage! Nach der Ankunft ging ich vorgestern gleich in das Bureau, das uns die Stadt Basel zur Verfügung gestellt hat. Es ist ein leergewordener Schneiderladen. Ich lasse die Firma mit einem Tuch überdecken, um den faulen Witzen zuvorzukommen. (Tagebuch, 27. August 1897)
Congress days! Upon my arrival the day before yesterday I went right to the office which the City of Basel has placed at our disposal. It is a vacant tailor's shop. I am having the name of the firm covered with a cloth, in order to forestall any bad jokes. (Diary, 27 August 1897)
Und da tauchte vor uns auf dem Baseler Kongress ein russisches Judentum auf, das wir in solcher Kulturstärke nicht erwartet hatten. Das ist nicht Kaliban, sondern Prospero. An die siebzig Mann aus Russland waren auf dem Kongress erschienen, und wir durften mit aller Bestimmtheit sagen, dass sie die Meinungen und Gefühler der fünf Millionen Juden in Russland repräsentieren. Und welche Beschämung für uns, die wir geglaubt hatten, ihnen überlegen zu sein. Alle diese Professoren, Ärzte, Advokaten, Ingenieure, Fabrikanten und Kaufleute haben ein Bildungsniveau, das gewiss nicht unter dem der Westeuropäer ist. Sie sprechen und schreiben im Durchschnitt zwei oder drei moderne Kultursprachen, und dass jeder in seinem Fache tüchtig sein muss, lässt sich aus der Härte des Daseinskampfes vermuten, den sie in ihrem Lande zu bestehen haben. ... Sie besitzen die innere Einheit, die den meisten europäischen Juden abhanden gekommen ist. Sie fühlen sich als Nationaljuden, aber ohne beschränkten und unduldsamen Nationaldünkel, der freilich bei der jetzigen Lage der Juden auch kaum verständlich wären. Es plagt sie kein Gedanke, sich zu assimilieren, ihr Wesen ist einfach und ungebrochen. ... Sie assimilieren sich keiner anderen Nation, aber sie sind bemüht, von allen Völkern alles Gute zu lernen. Und so bringen sie es fertig, aufrecht und echt zu sein. Und es sind doch Ghettojuden, die einigen Ghettojuden, die es in unserer Zeit noch gibt. Da haben wir bei ihrem Anblick verstanden, was unseren Vätern in den schwersten Zeiten die Kraft zum Ausharren gab. (Der Baseler Kongress 1897)
And then ... there rose before our eyes a Russian Jewry the strength of which we had not even suspected. Seventy of our delegates came from Russia, and it was patent to all of us that they represented the views and sentiments of the five million Jews of that country. And what a humilation for us, who had taken our superiority for granted! All these professors, doctors, lawyers, industrialists, engineers and merchants stand on an educational level which is certainly no lower than ours. Nearly all of them are masters of two or three languages, and that they are men of ablility in their particular lines is proved by the simple fact that they have succeeded in a land where success is particularly difficult for Jews. ... They possess that inner unity which has disappeared from among the westeners. They are steeped in Jewish national sentiment, though without betraying any national narrowness and intolerance. They are not tortured by the idea of assimilation, their essential being is simple and unshattered. ... They do not assimilate into other nations, but they exert themselves to learn the best that there is in other peoples. In this wise they manage to remain erect and genuine. And yet they are ghetto Jews! The only ghetto Jews of our time! Looking on them, we understood where our forefathers got the strength to endure through the bitterest times. (The Basel Congress 1897)
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